Wieder zu Hause - zwar ohne Titel aber mit vielen Erfahrungen
Seit dem 24.Oktober, also dem Dienstag der ersten Ferienwoche, sind Jan und ich jetzt wieder zurück in Deutschland. Eine ereignisreiche Zeit mit Höhen und Tiefen, deren Krönung uns am Ende verwehrt geblieben ist. Mit ein wenig Abstand ist es nun Zeit ein Fazit zu ziehen, mit dem Turnier und mit den Eindrücken von diesem vielfältigem Land Indien.
Aus sportlicher Sicht war diese U17 WM-mit Sicherheit ein Höhepunkt neben dem Gewinn der deutschen Meisterschaft vor zwei Jahren und dem Halbfinaleinzug bei der Europameisterschaft im Sommer. Doch so richtig vergleichen lassen sich diese drei tollen Ereignisse nicht. Eine Weltmeisterschaft stellt die größte sportliche Bühne im Leben eines Fußballers dar. Das mediale Interesse ist riesig, ebenso wie die Aufmerksamkeit der Scouts aus den Profiligen der ganzen Welt und nicht zu vergessen der austragenden Nation.
Damit wären wir auch schon bei unserem letzten Spiel, dem Viertelfinale gegen Brasilien. 66.000 Zuschauer im Stadion Kalkuttas hatten sich eingefunden, um diesen Fußballklassiker live zu erleben. Ein wirklich überwältigendes Gefühl, im Mittelpunkt dieser Aufmerksamkeit zu stehen, die Hymne mitzusingen und den gesamten WM-Flair zu spüren. Nach einer starken ersten Halbzeit, die wir mit 1:0 für uns gestalten konnten, folgte mit dem Schlusspfiff die Ernüchterung. Der harte Kampf hatte sich letzten Endes nicht bezahlt gemacht, wir mussten uns mit 1:2 geschlagen geben. Die Enttäuschung war riesig, zu gut hatten wir die Brasilianer in der ersten Halbzeit im Griff gehabt und dem zweiten Tor der Brasilianer ging ein eindeutiges Foulspiel an Jan zuvor. In der Schlussphase hätte uns womöglich auch noch ein Elfmeter zugesprochen werden müssen.
Fassungslos und still war es anschließend im Bus auf der Fahrt ins Hotel und den gesamten Abend über, wobei sich mit der Zeit noch Melancholie dazu mischte. Schließlich war dies das letzte Mal, dass wir als Jahrgang mit dem Trainer und Betreuerteam zusammengearbeitet haben.
Trotz dieses bitteren Ausscheidens müssen wir uns vor Augen führen, dass wir ein tolles Turnier gespielt haben. Wir haben Rückschläge weggesteckt und eine gute Reaktion auf diese gezeigt. Leidenschaftliche Spiele mit klaren Ergebnissen gegen Guinea und Kolumbien waren die Folge. Und es gibt noch mehr, was wir Positives von dieser WM mitnehmen sollten. Die Professionalität, die sich durch das ganze Turnier gezogen hat, sei es mannschaftsintern oder die Organisation durch die Fifa, das Gefühl als Team zusammen zu wachsen, obwohl wir normalerweise in den verschiedensten Vereinen Deutschlands spielen, oder der Wille weiter für den Traum des Profi-Fußballers zu kämpfen, denn das Gefühl vor Tausenden von Zuschauern aufzulaufen macht süchtig.
Abseits des Sportlichen gibt es aber noch eine Menge weiterer Dinge, die wir unser Leben lang über diese WM in Erinnerung behalten werden. Einer der auffälligsten Unterschiede war für uns, dass sich das Leben viel mehr auf der Straße abspielt als bei uns. Viele Menschen betreiben ihr eigenes, kleines Unternehmen und sei es zur Not ein notdürftig befestigter Essensstand am Straßenrand. Hunde und Kühe gehören in großer Zahl ganz natürlich zum Straßenbild dazu, und der Verkehr führt direkt durch diese Vielfalt hindurch. Ebenso nah wie unser Bus den anderen Verkehrsteilnehmern die meiste Zeit über war, sind auch Armut und Reichtum in den Städten. Luxuriöse Hotels und Wohnkomplexe bzw. Prunkbauten wie das Queen Victoria Memorial in Kalkutta, welches wir auch besichtigen durften, stehen in direkter Nachbarschaft zu notdürftig mit Planen geflickten Dächern der Armen der Slums unterhalb des Highways. Die Vielfältigkeit Indiens wird auch durch die Sprachvielfalt deutlich. Auf Bundesstaatenebene gibt es 19 verschiedene Amtssprachen. Englisch jedoch spricht immer noch ein Großteil der Bevölkerung, eine Folge der britischen Besatzung. Ein Monument wie das erwähnte Queen Victoria Memorial stellt für die Bevölkerung ein Mahnmal der Unterdrückung dar.
Ein anderer toller Aspekt war auch, den Hinduismus und die Kultur kennen zu lernen. Die Yoga Einheit im Schatten der Palmen, während bestem Wetter und dem Meeresrauschen im Ohr war wirklich sehr entspannend, die Meditation aufs höchste beruhigend. Auch konnten wir einen hinduistischen Tempel besuchen, ein ehrwürdiges Bauwerk mit 3 großen Gedenkschreinen, in denen prachtvoll geschmückte Götterskulpturen ausgestellt waren. Insgesamt gibt es Abertausende verschiedene Gottheiten, wobei der Begriff Gottheit in diesem Zusammenhang ungenau ist. Diese „Götter“ sind lediglich symbolhafte Gestalten, die als Manifestation der Weltseele (Brahman) bzw. der göttlichen Aspekte stehen. Die wahrscheinlich bekannteste symbolhafte Gestalt ist „Ganesha“, der Gott des Glückes und der Fröhlichkeit in Form eines Elefanten.
Während wir uns in Kalkutta aufhielten, konnten wir auch das Diwali Festival miterleben, welches mit viel Feuerwerk den Sieg des Lichts über die Dunkelheit bzw. der Hoffnung über die Trauer feiert. Ein, wie wir finden, sehr sinnlicher und schöner Grund ein Fest zu feiern.
Am Ende bleiben viele tolle Erinnerungen wie diese. Diese Reise hat uns auch vor Augen geführt, in welcher privilegierten Welt wir leben, noch viel anschaulicher als uns das Fernsehberichte oder Unterrichtsstunden vermitteln könnten. Das sollte man sich immer wieder vor Augen führen.
Ebenso was kleine Gesten bewirken können. Die glücklichen, lächelnden Gesichter der Waisenkinder über unseren Besuch auf der einen Seite oder unser Lächeln, aufgrund der herzerwärmenden, selbstgemalten Karten der Waisenkinder, auf der anderen Seite.
Es war eine tolle Zeit!
Marian Prinz und Jan Boller