Empfänger unbekannt
Ein Briefwechsel, der noch bis heute tief berührt
Das gleißende Licht von draußen verschwindet und die Beleuchtung geht aus. Eine erwartungsvolle Stille füllt den Raum. Alle sind gespannt, was gleich auf der noch dunklen Bühne passieren wird. Als der erste Schauspieler die Bühne betritt, wird es mit jeder Sekunde, in der das Theaterstück aufgeführt wird, ruhiger. Und dann beginnt eine Geschichte, die viele berührt und zum Nachdenken gebracht hat. Ein Briefwechsel, der nicht nur das Leben der beiden Charaktere, die während des ganzen Stücks miteinander korrespondieren, beeinflusst hat, sondern auch das des Publikums.
Das Buch „Empfänger unbekannt“, auf dem das Theaterstück beruht, gibt mit Hilfe von Briefen das langsame Auseinanderbrechen der Freundschaft von Max Eisenstein und Martin Schulse und die Veränderungen zu Beginn des Dritten Reiches wieder. Wir schreiben das Jahr 1932. Nach der Auswanderung Schulses beginnt ein Briefwechsel der beiden Freunde. Einige Monate geht dieser so weiter, bis Eisenstein plötzlich von abscheulichen Dingen hört, die in Deutschland mit Juden passiert sein sollen, und seinen Freund nach diesen ausfragt. Schulse bittet ihn, die Korrespondenz einzustellen, da der Kontakt mit einem Juden zur Schädigung seines Rufes und seines gesellschaftlichen Standes führen könnte. Eisenstein gibt ihm durch einen geschmuggelten Brief die Möglichkeit, seine Aussagen zu widerrufen. Doch Schulse kommt der Hoffnung Eisensteins nicht nach und berichtet stattdessen fast euphorisch von der weiteren Vertreibung der Juden. Eisenstein ist enttäuscht und erschüttert von den Ansichten seines nun ehemaligen Freundes. Er stellt aber den Briefwechsel ein, bis ihn ein Brief an seine Schwester, die trotz der Gefahr in einem Stück in Berlin aufgetreten ist, mit der Aufschrift „Empfänger unbekannt“ erreicht. In seiner Ungewissheit über ihren Verbleib wendet er sich verzweifelt an Schulse, in der Hoffnung, dieser wisse mehr über den Aufenthaltsort seiner Schwester. Schulse schreibt, dass sie bei ihm angekommen sei, verfolgt von SA-Leuten, es wäre jedoch seine deutsche Pflicht gewesen, Eisensteins Schwester auszuliefern. Sie starb daraufhin, umgebracht von ihren Verfolgern. Über diese Nachricht zutiefst erschüttert fing Eisenstein an, eine grausame Rache auszuüben. Diese würde später noch bittere Folgen für Schulse haben.
Das Kammertheater Rheinland führte am 10.11 und am 12.11 eine szenische Vorlesung dieses Stückes anlässlich der Reichspogromnacht von 1938 am Landrat-Lucas-Gymnasium Leverkusen auf. Zusätzlich zu dem Schauspiel auf der Bühne wurden die Briefe der beiden Hauptcharaktere abwechselnd vorgelesen. Sie standen dabei die ganze Zeit im Vordergrund. Die Schauspieler Wolfgang Müller Schlesinger und Michael Meierjohann führen das Theaterstück bereits seit 2004 an diversen Schulen auf. „Als ich das Buch das erste Mal gelesen hab, hat mich diese Geschichte total ergriffen, es ist mir richtig unter die Haut gegangen. Von dem Moment an wusste ich: das muss auf die Bühne, das müssen wir machen!“, so Wolfang Müller Schlesinger, der den Martin Schulse spielt. Die beiden Charaktere schreiben am Anfang noch von Dingen wie der „wahren Freundschaft“ und gegen Ende kommen von Schulse Sätze wie „Zwischen uns findet sich nichts Verbindendes mehr.“ Diese Sätze sind perfekte Beispiele für die Emotionalität des Stückes und Buches, von der uns Michael Meierjohann erzählt: „Es gibt Heulstellen, wo einem manchmal die Tränen kommen und es einen dann so ergreift.“
Die Vorstellung ergriff auch am LLG das Publikum und alle verließen den Saal in einer nachdenklichen Stimmung. Am Ende des Stücks nach dem Applaus war alles still, jeder schien zu verarbeiten, was gerade auf der Bühne geschehen war. „Es wird immer notwendiger, dieses Stück vorzustellen.“, so einer der Schauspieler. Vor allem in schwierigen Zeiten müssen die Menschen daran erinnert werden, wie es einmal war und wie es nie wieder sein darf.
Text: Charlotte Schmitz und Hannah Dittberner
Fotos: Leanne Barthels
(Journalismus Kurs Stufe 9)